Offener Brief an Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender von Siemens
Die Firma Siemens soll die Signaltechnik für einen Teil der Infrastruktur der umstrittenen Carmichael Kohlen-Mine im australischen Queensland liefern, die zu einer der größten der Welt gehören wird, wenn sie wirklich in Betrieb geht.
Die Deutsche Allianz für Klimawandel und Gesundheit (KLUG), ein Netzwerk von Einzelpersonen, Organisationen und Verbänden aus dem gesamten Gesundheitsbereich hat in einem Offenen Brief an den Vorstandsvorsitzenden der Siemens AG, Joe Kaeser, gegen diese Beteiligung protestiert: „Gerade die Kohlverbrennung ist nicht nur ein großer Treiber des Klimawandels, sondern sie trägt auch weltweit zu einer deutlich verkürzten Lebenszeit und erhöhter Krankheitslast durch Luftverschmutzung bei. Zahlreiche führende Gesundheitsorganisationen wie der Weltärztebund oder auch die Lancet Commission on Health and Climate Change sprechen sich deshalb für eine schnelle Beendigung der Kohlenutzung aus.“ Kaeser, der 2019 erklärt hatte, er wolle das Projekt prüfen, wurde aufgefordert, die Beteiligung abzusagen. Die Kohlemine, falls realisiert, soll während ihrer Betriebszeit über etwa 60 Jahre geschätzte 4,6 Milliarden Tonnen CO2 zusätzlich freisetzen. Das ist nicht mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens vereinbar. Gerade für einen Konzern, der einen wichtigen Teil seines Geschäfts aus Medizintechnik ziehe, müssten die Folgeschäden der Kohleverbrennung eine Verpflichtung sein, so die Autoren des Briefes.
„Die Politik ist bisher nicht in der Lage, adäquat auf die existenzielle Bedrohung durch den Klimawandel zu reagieren“, sagte KLUG-Vorstand Dr. med. Martin Herrmann. „Jeder Einzelne, vor allem aber auch die multinationalen Unternehmen sind deshalb aufgefordert, ihren Einfluss zur Rettung des Planeten geltend zu machen.“
Offener Brief
Den nachfolgenden Offenen Brief gibt es hier auch als Pdf-Datei zum Download.
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An den Vorsitzenden des Vorstandes der Siemens AG
Herrn Joe Kaeser
Berlin, den 9.1.2020
Betr.: Offener Brief zur Beteiligung von Siemens an dem Adani Carmichael Kohleprojekt
Sehr geehrter Herr Kaeser,
Wir wenden uns an Sie, weil Sie für die Beteiligung von Siemens am australischen Adani Carmichael Kohleminenprojekt verantwortlich sind – Ihr Unternehmen beabsichtigt eine Lieferung von Signaltechnik für die Eisenbahntrasse. Als Ärztinnen und Ärzte sowie weitere Angehörige der Gesundheitsberufe stehen wir dem Adani-Projekt prinzipiell ablehnend gegenüber. Die Kohlemine, falls realisiert, soll während ihrer Betriebszeit über etwa 60 Jahre geschätzte 4,6 Milliarden Tonnen CO2 zusätzlich freisetzen. Das ist nicht mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens vereinbar.
Der möglichst schnelle Ausstieg aus fossilen Energien, insbesondere der Kohle, ist Konsens in der Klimawissenschaft und in breiten Kreisen der Politik. Gerade die Kohlverbrennung ist nicht nur ein großer Treiber des Klimawandels, sondern sie trägt auch weltweit zu einer deutlich verkürzten Lebenszeit und erhöhter Krankheitslast durch Luftverschmutzung bei. Zahlreiche führende Gesundheitsorganisationen wie der Weltärztebund, die Lancet Commission on Health and Climate Change u. a. sprechen sich deshalb für eine schnelle Beendigung der Kohlenutzung aus. Jede Investition bzw. Beteiligung an neuen Kohleminen, Kohlekraftwerken und Kohleinfrastruktur ist wegen der unabsehbaren Folgen für die Erderhitzung ein absolutes “No Go”, weil sie alle Bemühungen um effektiven Klimaschutz untergräbt.
Der Klimawandel ist wahrscheinlich die größte existenzielle Bedrohung in der Geschichte der Menschheit. Sie ist zugleich auch eine Krise der globalen Gesundheit, weil der Klimawandel die natürlichen Grundlagen zerstört, von denen Leben, Gesundheit und Wohlergehen entscheidend abhängen.
Hoffnung macht uns, dass Sie bereits im Dezember 2019 auf die internationalen Proteste gegen das Kohleprojekt reagiert und erklärt haben, dass Sie die Sorgen ernst nähmen und die Entscheidung Ihres Unternehmens überprüfen wollten. Wir müssen Ihnen gegenüber sicher nicht betonen, dass der notwendige Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft viele Herausforderungen mit sich bringt, wo sich Siemens, durchaus auch gewinnbringend, einbringen kann.
Die bedrückenden Brandkatastrophen in Australien sind nur Vorboten für das, was einen Großteil der Menschheit in Zukunft erwartet, wenn wir nicht sofort und entschieden gegensteuern.
Siemens hat bereits im Vorfeld des Pariser Klimaabkommens angekündigt, seine CO2-Emissionen bis 2020 zu halbieren und bis 2030 klimaneutral zu werden, und damit eine vorbildliche Haltung gezeigt, die wir sehr begrüßen und anerkennen.
Eine Beteiligung am Adani-Projekt würde dieser Haltung zuwiderlaufen und dem Ansehen der Firma Siemens, die auch einer der größten Anbieter von Medizinprodukten weltweit ist, nicht zuletzt auch im Gesundheitssektor Schaden zufügen.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Dr. med. MARTIN HERRMANN, Vorsitzender KLUG – Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V.
Dr. med. MATTHIAS ALBRECHT, MBA, Geschäftsführer Ev. Krankenhaus Hubertus Berlin
PD Dr. med. STEPHAN BÖSE-O’REILLY, Leiter AG Globale Umwelt-Gesundheit am Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der Universität München, LMU München
Prof. Dr. Dr. med. SABINE GABRYSCH, Professorin für Klimawandel und Gesundheit, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Charité – Universitätsmedizin Berlin
SYLVIA HARTMANN, Stellvertretende Vorsitzende KLUG – Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V., Projektleiterin Mensch und Umwelt der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V.
Dr. med. ECKART VON HIRSCHHAUSEN, Arzt und Scientists for Future
Prof. Dr. med. Dr. phil. ANDREAS HEINZ, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Charité Berlin, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde
Dr. med. RALPH KROLEWSKI, Allgemeinmedizin/Psychotherapie,Vorsitzender Oberbergischer Hausärzteverband Nordrhein e.V., Vorstandsmitglied Hausärzteverband Nordrhein e.V.
Prof. Dr. med. THOMAS LEMPERT, Chefarzt Neurologie, Schlosspark-Klinik, Berlin
Dr. med. R. T. MAITRA, Hausarzt, Hemmingen, Mitglied im Vorstand der Landesärztekammer Baden-Württemberg, Abgeordneter beim Deutschen Ärztetag
Dr. med. ALEX ROSEN, Kinderarzt, Vorsitzender der IPPNW – Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges – Ärzte in sozialer Verantwortung
Dr. med. KATHARINA THIEDE, Sprecherin der FrAktion Gesundheit, Ärztekammer Berlin
Dr. med. PETER TINNEMANN, MPH, Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen, Ärztlicher Referent, Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen
Dr. h.c. FRANZ WAGNER MSc, RbP, Präsident Deutscher Pflegerat e.V.
Prof. Dr. med. CHRISTIAN WITT, Pneumologe, Seniorprofessor der Charite Berlin
Kontakt für die Gruppe der Unterzeichner:
Dr. med. Martin Herrmann
Mobile: +49 179 2374012
Mail: m.herrmann@klimawandel-gesundheit.de
Weitere Informationen:
Factsheet der DEA – Doctors for the Environment Australia during the planning process (Partnerorganisation von KLUG in Australien):
Adani ‘s Carmicael coal mine and health (Pdf-Datei zum Download)