7. Oktober 2020 Allgemein, Pressemeldung

Blauer Himmel bald auch über Deutschlands Kliniken?

Das Null-Emissions-Projekt des britischen Gesundheitsdienstes NHS liefert innovative Ideen

Am 1. Oktober hat das britische National Health Service (NHS) erklärt, emissionsfrei und damit klimaneutral werden zu wollen. Damit ist das NHS weltweit das erste staatliche Gesundheitswesen mit diesem Ziel. Bis 2028 sollen seine Emissionen (in CO2-Äquivalenten) bereits um 80 Prozent reduziert werden (endgültig 2040), im Jahr 2045 auch alle Zulieferer einbezogen worden sein. Vorgesehen sind auch verschärfte Vorgaben für Klinikneubauten. Die ersten Krankenwagen sollen schon 2022 emissionsfrei sein.

„Das Jahr 2020 war akut völlig von Covid dominiert“, erklärte dazu NHS-Chef Sir Simon Stevens. „Aber der Klimawandel stellt die größte anhaltende Bedrohung der Gesundheit dar.“ Nick Watts, langjährig federführend beim internationalen Lancet Countdown, einer jährlichen Bestandsaufnahme der gesundheitlichen Aspekte des Klimawandels, und Leiter des NHS-Net-Zero-Teams, betonte, wie wichtig es sei, dass auch das Gesundheitssystem seinen Teil zur Eindämmung des Klimawandels leiste.

In Deutschland ist das Gesundheitssystem immerhin für 5,2 Prozent der klimaschädlichen Emissionen verantwortlich – und dabei sind die Emissionen durch die umfangreichen Exporte von Medizintechnik, Medikamenten und anderem noch nicht eingerechnet. Im Januar 2020 hatte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) eine neue Abteilung für Klima und Gesundheitsschutz eingerichtet und unter anderem ein Gutachten in Auftrag gegeben, um internationale Vorbilder für Nachhaltigkeitsprojekte und -strategien im Gesundheitssektor zu identifizieren.

„Das Wichtigste ist, bei allen Akteuren des Gesundheitswesens das Bewusstsein dafür zu erzeugen, dass jeder einzelne viel bewegen kann im Hinblick auf den Klimaschutz“, sagt Christian Schulz, Oberarzt in der Anästhesie am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. „Bei Energieversorgung und -verbrauch, bei der Ernährung, im Einkauf, der Mobilität, der Gebäudeplanung und -sanierung und den dafür eingesetzten Materialien. Um dieses Potential zu nutzen, braucht es starke Anreize – und diese müssen vom Gesetzgeber, den Krankenkassen und den Ländern kommen.“ Mehr Expertise und Leitlinien wünscht sich die Erlanger Internistin Ulla Hahn, die frühzeitige Einbeziehung von Kommunen und kleinen und mittelständischen Unternehmen, für die sich hier neue Chancen eröffneten. Vorstellbar sei zum Beispiel eine Plattform zur nachhaltigen Beschaffung. Schulz und Hahn sind Mitglieder der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG), die Menschen und Organisationen aus dem Gesundheitsbereich vernetzt, die sich für die Eindämmung des Klimawandels einsetzen.

„Voraussetzung für ein klimaneutrales Gesundheitswesen ist sicher auch in Deutschland eine Bestandsaufnahme des ökologischen Fußabdrucks des Gesundheitswesens“, so der Psychiater Dieter Lehmkuhl, Vorstandsmitglied bei KLUG. Im NHS-Bericht war eine solche „baseline“ erhoben worden. Es wurde verschiedene Emissions-Szenarien entwickelt, die beteiligten Verursacher von Treibhausgasen ermittelt und die technischen sowie organisatorischen Lösungsmöglichkeiten beschrieben.

Was die Krankenhäuser angeht, so existieren in Deutschland seit einigen Jahren zwei Projekte unter Federführung des BUND: ein Gütesiegel „Energie sparendes Krankenhaus“ für besondere Leistungen im Klimaschutz und KLIK green, die kostenlose Fortbildung von Klinikmitarbeitern zu „Klimamanagern“. Annegret Dickhoff, KLUG-Gründungsmitglied und BUND-Projektleiterin ist überzeugt: „Klimaschutz muss bei allen strategischen Entscheidungen prioritär behandelt und in die Prozesse integriert werden. Die Gesundheitspolitik muss dies fördern und finanziell honorieren. Hemmnisse durch gesetzliche Vorgaben etwa beim Gebäudeenergiegesetz müssen identifiziert und behoben werden.“

„Es kommt jetzt darauf an, die Initiativen und das Know-how möglichst unter ein gemeinsames Dach zu bringen, um mehr Wirkung zu erzielen“, kommentiert Dieter Lehmkuhl. „Die Entscheidung des NHS ist jedenfalls ein Meilenstein, der Maßstäbe setzt.“

NHS-Bericht vom 1.10.2020: Delivering a ‘Net Zero’ National Health Service

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