16. Dezember 2024 Allgemein

Gesundheitsfördernde Gesamtpolitik umsetzen

KLUG-Positionspapier zur Bundestagswahl 2025

Die körperlichen und psychischen gesundheitlichen Auswirkungen durch die Überschreitung ökologischer Belastungsgrenzen haben ein beispielloses Ausmaß erreicht. Wenn nicht umgehend ein grundlegender politischer Kurswechsel eingeleitet wird, werden jetzt und zukünftig hohe gesundheitliche, ökonomische, soziale und ökologische Folgekosten entstehen, die die monetären Kosten sofort wirksamer Gegenmaßnahmen bei weitem übersteigen. Die nächste Bundesregierung entscheidet über die Rahmenbedingungen, die generationenübergreifend gesunde Lebensgrundlagen ermöglichen sollten. Diesen Rahmen in Form einer gesundheitsfördernden Gesamtpolitik zu gestalten liegt im Interesse aller demokratischen Parteien.

Demokratie festigen

Machbare und wirksame Partizipationsmöglichkeiten für alle Menschen sind die Voraussetzung, um auf Grundlage guten gesellschaftlichen Zusammenhalts die Herausforderungen der Zukunft konstruktiv anzugehen und zu bewältigen. Spaltung und Polarisierung, entmenschlichende Sprache, Gefühlskälte und Zynismus hingegen sind der Nährboden für Menschenfeindlichkeit und den Verlust eines existenziellen und damit gesundheitsfördernden Zusammengehörigkeitsgefühls. Körperliche und psychische Gesundheit ist nur in einer demokratischen Gesellschaft denkbar, die Grund- und Menschenrechte schützt und stärkt und gleichzeitig Solidarität, Gerechtigkeit und politische Partizipation fördert.

Finanzierung sicherstellen

Wohlergehen für alle statt Wohlstand für wenige sollte das übergeordnete Leitprinzip und gleichzeitig das Ziel allen politischen Handelns sein. Soziale Gerechtigkeit und gesundheitliche Chancengleichheit gehen Hand in Hand mit Klima- und Umweltschutz und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es gibt kein entweder oder. Wichtige Instrumente für die Finanzierung sind

  • der zügige Abbau gesundheits- und umweltschädlicher Subventionen und eine gerechte Ausgestaltung von Steuern und Subventionen, die allen Bevölkerungsgruppen einen gesunden und umweltfreundlichen Lebensstil ermöglicht,
  • eine Reform der Schuldenbremse, eine Reform der Erbschaftssteuer und eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer, auch um der wachsenden sozialen Ungleichheit entgegenzuwirken.

Prävention und Gesundheitsförderung stärken

Prävention und Gesundheitsförderung ist eine gesamtgesellschaftliche, sektorenübergreifende Aufgabe. Das erfordert

  • die Entwicklung einer übergeordneten Public Health-Strategie, die partizipativ und unter Berücksichtigung sozialer, kommerzieller und umweltbezogener Determinanten von Gesundheit erarbeitet wird und auf die Umsetzung des Health in All Policies-Konzeptes ausgerichtet ist,
  • die Einführung verpflichtender Gesetzesfolgenabschätzungen hinsichtlich Gesundheit, Umwelt, Klima und sozialer Gerechtigkeit,
  • aktive Mobilität und den öffentlichen Nahverkehr auszubauen, leichter zugänglich zu machen und attraktiver zu gestalten,
  • die zügige und ambitionierte Umsetzung der neuen EU-Luftqualitätsrichtlinie mit gezielter Unterstützung der Kommunen, damit diese die neuen Grenzwerte schnellstmöglich erreichen können und Menschen besser vor Luftschadstoffen schützen können.

Ernährungswende beschleunigen

Ungesunde Ernährung ist einer der Hauptrisikofaktoren für chronische Erkrankungen und vorzeitige Todesfälle in Deutschland. Unsere aktuellen Ernährungssysteme, insbesondere die Produktion tierischer Lebensmittel, tragen maßgeblich zur Überschreitung der planetaren Belastungsgrenzen bei – durch hohe Treibhausgasemissionen, tropische Entwaldung, die Verschmutzung von Böden, Luft und Gewässern und veränderte Wasserkreisläufe weltweit.Eine Umstellung auf eine vollwertige, pflanzenbetonte Ernährung bietet große Chancen für die individuelle Gesundheit sowie die des Planeten. Dafür müssen

  • in der Gemeinschaftsverpflegung (in Schulen, Kitas, Kliniken, Pflegeeinrichtungen, Betriebskantinen etc.) verbindliche Qualitätsstandards gemäß den neuen DGE-Empfehlungen eingeführt werden,
  • im Gesundheitssektor Strukturen und Prozesse gefördert werden, die das präventive Potential von Ernährung für die individuelle Gesundheit sowie den Schutz der natürlichen Ressourcen und ökologischen Systeme als Lebensgrundlagen explizit fördern und ausschöpfen,
  • Ordnungspolitik, Steuern und Subventionen so gestaltet werden, dass sie eine Wende zu gesunden und umweltfreundlichen Ernährungsweisen unterstützen (Einpreisung versteckter Kosten, 0%-MwSt. auf unverarbeitete pflanzliche Produkte, Tierwohlabgabe, Einschränkung von Werbung für ungesunde Lebensmittel).

Menschen besser vor Klimafolgen schützen

Um die Bevölkerung vor den gesundheitsgefährdenden Folgen des Klimawandels und insbesondere vor zunehmenden Hitzeperioden zu schützen, Einbußen der Arbeitsproduktivität und eine zusätzliche Belastung des Gesundheitssystems zu vermeiden, müssen

  • Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen als kritische Infrastruktur bei der Entwicklung und Umsetzung der Klimaanpassungsstrategie berücksichtigt und eingebunden werden,
  • soziale Determinanten von Gesundheit berücksichtigt werden,
  • Hitzekompetenz in der Arbeitswelt, in Gesundheits- und Bildungseinrichtungen und in der breiteren Öffentlichkeit gestärkt werden,
  • der nationale Hitzeschutzplan unter Einbeziehung aller Bundesministerien, Länder und Kommunen weiterentwickelt, dessen Umsetzung dauerhaft finanziert und Zuständigkeiten klarer geregelt werden.

Ökologische Nachhaltigkeit des Gesundheitssektor voranbringen

Der Gesundheitssektor trägt mit 6% der Treibhausgasemissionen in Deutschland erheblich zu den klimabedingten Gesundheitsrisiken bei, die ihn selbst immer mehr belasten. Verschiedene europäische und nationale Nachhaltigkeitsgesetze (z.B. die Nachhaltigkeitsberichterstattung, die Lieferkettenrichtlinie, die Reform des Vergaberechts oder die geplante EU-Pharma-Reform) verpflichten Teile des Sektors bereits zu verschiedenen Maßnahmen. Viele Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen und weitere Akteure aus dem Gesundheitssektor haben sich zudem aus eigener Motivation auf den Weg zu einer nachhaltigeren Versorgung gemacht. Um diese Aktivitäten strategisch und geordnet für den gesamten Sektor voranzubringen und gleichzeitig die Versorgungsqualität zu sichern, braucht es

  • die Einbeziehung von gesundheitlichen und medizinischen Klimawandelfolgen, den Synergien von klima-, umwelt- und gesundheitsförderlichem Verhalten sowie der Umweltrisiken von Arzneimitteln in die Aus- und Weiterbildung von Ärzt:innen, Pharmazeut:innen, Pflegefachkräften und anderen Gesundheitsberufen.
  • ein Klimaneutralitätsziel und einen entsprechenden Fahrplan für den Gesundheitssektor, damit dieser seinen Beitrag zur Erreichung des Klimaneutralitätsziels 2045 (wie im Klimaschutzgesetz festgelegt) leisten kann,
  • die stärkere Verankerung von Nachhaltigkeit in den Sozialgesetzbüchern, unter anderem durch die Flankierung des Wirtschaftlichkeitsgebots im SGB V durch ein Nachhaltigkeitsgebot,
  • notwendige Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, insbesondere zur Gebäudehüllensanierung, durch einen Sonderfonds,
  • transparente und öffentlich zugängliche Daten zu den Klima- und Umweltauswirkungen von Arzneimitteln und Medizinprodukten mit einheitlichen Indikatoren für deren Ökobilanz,
  • die Einbeziehung von gesundheitlichen und medizinischen Klimawandelfolgen, den Synergien von klima-, umwelt- und gesundheitsförderlichem Verhalten sowie der Umweltrisiken von Arzneimitteln in die Aus- und Weiterbildung von Ärzt:innen, Pharmazeut:innen, Pflegefachkräften und anderen Gesundheitsberufen.

Das Positionspapier wurde seitens KLUG im Vorfeld der Bundestagswahl 2025 entwickelt. Es ist auch als PDF-Datei unter folgendem Link abrufbar.